Wir müssen den Boden füttern

Von

David Bautze, FiBL

Den Hunger bekämpfen, Biodiversität erhalten, dem Klimawandel entgegentreten – die Herausforderungenin der Landwirtschaft sind auch in den Tropen gross und dringlich. Die Lösungen sind biologisch, und sie haben ihren Ursprung direkt unter unseren Füssen.
Der Bauer Patrick Maive bewirtschaftet seinen Boden mit einer Hacke.
Ein ökologisch bewirtschafteter Boden braucht besondere Pflege, insbesondere in den Tropen - Bauer Patrick Maive auf seinem Bio-Hof in der Region Kangari, Kenia. (Bild: Joost Bastmeijer)

Gängige und oft schädliche landwirtschaftliche Praktiken wie der Anbau in Monokulturen und die unsachgemässe Nutzung von synthetischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln haben in den vergangenen Jahrzehnten in den Tropen zu einem hohen Verlust an wertvollem Bodenhumus in landwirtschaftlichen Böden geführt. Die damit einhergehende Schädigung der natürlichen Bodenfunktionen zieht wiederum Biodiversitätsverlust, Bodenerosion und letztlich Ernteausfälle nach sich. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Lebensraum für Abermillionen Kleinstlebewesen

Seit vielen Jahren vergleicht SysCom die langfristigen Auswirkungen des Bio-Landbaus mit konventioneller Landwirtschaft in den Tropen (siehe Titelgeschichte). Die Forschenden haben eine gute Nachricht, wissenschaftlich untermauert: Die biologische Landwirtschaft bietet praktische Lösungen! Und diese wurzeln im Boden.

Denn, so eine zentrale Erkenntnis: Die Bodenqualität und -gesundheit ist entscheidend für produktive und gesunde Landwirtschaftssysteme. Die konventionelle Landwirtschaft sieht den Boden eher als Transportmedium, das künstlich zugegebene Nährstoffe und Wasser zu den Pflanzen bringt. Der Bio-Landbau hingegen betrachtet den Boden als zentralen Bestandteil des Produktionssystems, mit vielfältigen Funktionen: Er ist Lebensraum für Abermillionen von Kleinstlebewesen sowie Speicher, Filter, Puffer, Transporteur und Umsetzer von Nährstoff en und Wasser zugleich. Damit er diese Funktionen erfüllen kann, muss der Boden aufgebaut und gepflegt werden.

Porträt von David Bautze.

ist Wissenschaftler im Departement Internationale Zusammenarbeit am schweizerischen Forschungsinstitum für biologischen Landbau FiBL. Er begleitet in seiner Funktion das Projekt SysCom in Kenia, das auch von Biovision unterstützt wird.

Die Infografik zeigt, wie durch ökologische Methoden ein gesunder Boden gepflegt werden kann.
Infografik: Daniel Röttele, infografik.ch. Quellen: Biovision, Atlas der Globalisierung (Le Monde diplomatique). Klicken Sie auf das Bild, um das PDF zu öffnen (optimaler Ausdruck auf A3).

Zentrales Element: der Kohlenstoff

Deshalb gilt im Bio-Landbau auch das Verständnis, dass wir nicht nur die Pflanzen «füttern» resp. nähren müssen, sondern auch den Boden. Wenn dieser gesund ist, nährt er die Pflanzen, dauerhaft und nachhaltig. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Kohlenstoffzentrales Element aller Lebewesen, aber auch in Form von Kohlenstoff dioxid (CO2) berühmt-berüchtigt als Klimagas. Kohlenstoff ist in Böden in Form von Humus gespeichert und kann z. B. durch unsachgemässe Bodenbehandlung freigesetzt werden.

Humus ist ein komplexes Kohlenstoff geflecht, das über verschiedene Stationen aus abgestorbenem organischem Material (Pflanzenteile oder Kadaver) gebildet wird. Im Boden sind dafür verschiedene Bodenlebewesen wie Regenwürmer, Springschwänze, Bakterien oder Pilze zuständig. Sie produzieren sogenannten Nährhumus, der nur kurzfristig zur Verfügung steht, sowie Dauerhumus, der über mehrere Jahrzehnte bestehen kann.

Der Humus erfüllt vielfältige Funktionen:

  • Er speichert wichtige Pflanzennährstoffe und Wasser wie ein Schwamm.
  • Er kann schädliche Stoffe wie Schwermetalle binden und unschädlich machen.
  • Er macht den Boden durchlässiger und stabiler, was z. B. Bodenerosion verhindert.
  • Er ist Lebensraum für Bodenlebewesen und Pflanzen.
  • Er kann Kohlenstoff im Boden anreichern und trägt damit zum Klimaschutz bei.

Unter tropischen Klimabedingungen ist es jedoch schwierig, Bodenhumus aufzubauen und zu erhalten. Aufgrund der ganzjährig hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit ist die Aktivität der Bodenlebewesen generell höher. Wird der Boden gepflügt und damit durchlüftet, steigert das ihre Aktivität zusätzlich. Dies kann dazu führen, dass mehr Humus ab- als aufgebaut wird und damit wertvoller, gesunder Boden verloren geht.

Der Schlüssel: Hohe Zufuhr von organischem Material

Unsere Vergleichsversuche zeigen deutlich: Der Aufbau von Humus auf biologischen Feldern ist nur mit einer hohen Zufuhr von organischem Material – und damit Kohlenstoff – möglich. Dies konnten wir unter anderem durch den gezielten Einsatz von durch Bäuerinnen und Bauern selbst produzierten Kompost aus Maisstroh, Rindermist, Asche sowie verschiedenen nährstoff reichen Pflanzen (Tithonia) erreichen. Optimal geschichtet und mit regelmässigem Umlagern wird er über mehrere Wochen gelagert, sodass leicht zersetzbare Kohlenstoffanteile gut gebunden werden.

Auch die direkte Zufuhr von pflanzlichem Material auf die Anbauflächen trägt zur Bodenverbesserung bei: Eine ständige Bodenbedeckung mit Pflanzenstroh (Mulchen) oder die Einarbeitung von Restmaterial nach der Ernte schützt den Boden nicht nur vor Auswaschung und Austrocknung. Das Material wird von den Bodenorganismen auch aktiv zu Humus umgesetzt. Nach rund fünf Jahren kann sich die Humuszunahme und die damit einhergehenden Verbesserungen der Bodenfunktionen auch in besseren Erträgen niederschlagen, wie auch die Beispiele von Joyce Wangari und Patrick Maive auf den vorangehenden Seiten zeigen.

Für die Regeneration von Böden sind also zwei Faktoren entscheidend: die Verfügbarkeit von praktischem Wissen um lokal angepasste, effektive Methoden für aktiven Humus aufbau und – Geduld.

Lesen Sie im Biovision Magazin zum Schwerpunktthema Boden, welche nachhaltigen Massnahmen Hirt:innen in Kenia zur Bekämpfung von Dürrefolgen ergreifen, wie die Welt unter unseren Füssen über das Hören erfahrbar wird und auf was man beim Erde-Kauf für den Garten achten muss.

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