Die Felder liegen staubtrocken und rot da im Bezirk Tharaka-Nithi am östlichen Fuss des Mount Kenya. Weit und breit ist kein Grün zu sehen, dabei wäre bald Erntezeit für Mais und Hirse. Aber was nach der Saat mangels Regen nur spärlich spross und gedieh, reichte noch knapp als Viehfutter. Die Wetterextreme– sowohl die Trocken- wie die Regenzeiten – werden auch in Ostafrika von Jahr zu Jahr unberechenbarer und verursachen steigende Ertragsausfälle. Davon ist auch Elizabeth Karimi betroffen. Die Bäuerin erwartet auf ihrem kleinen Hof Besucher*innen aus Nairobi und der Schweiz. Für eine Studie wollen sie von ihr mehr über ihre Erfahrungen zu den Folgen des Klimawandels erfahren.
Landwirtschaft ist Opfer und Täterin
Fabio Leippert von der Stiftung Biovision ist für die Studie verantwortlich: «Die Landwirtschaft ist global sowohl Opfer als auch Täterin der Klimakrise», erklärt Fabio Leippert. «Mit einem Viertel der Klimagasemissionen trägt sie massgeblich zum Klimawandel bei. Zugleich kämpfen Bäuerinnen und Bauern weltweit mit extremer Trockenheit oder zu viel Regen.» Gefragt sind deshalb jetzt nachhaltigere und klimaresistentere Ernährungssysteme. Fabio Leippert erklärt, wie diese aussehen könnten: «Unsere Studie hat gezeigt, dass agrarökologische Methoden (zu denen auch der Biolandbau gezählt wird) einerseits zum Klimaschutz beitragen und anderseits die Anpassungsfähigkeit der Bauernbetriebe an den Klimawandel erhöhen. Die Erfolgsfaktoren sind eine verbesserte Bodengesundheit, grössere Biodiversität sowie eine hohe Diversifizierung bei den Pflanzen, vor allem aber auch die bessere Vernetzung und der Wissensaustausch unter Bäuerinnen und Bauern.»
Traditionelles Wissen und neue Erkenntnisse verknüpfen
Biovision arbeitet seit 2012 mit dem Institute for Culture and Ecology (ICE) aus Kenia zusammen. Im Gebiet rund um den Mount Kenya begleitet ICE mittlerweile rund 50 Bäuerinnen- und Bauerngruppen mit über 1’500 Teilnehmenden. In agrarökologischen Feldkursen wird untern anderem gelernt, wie sie mittels terrassierter Felder und gezielter Bepflanzung den Wasserrückhalt steigern und die Erosion verhindern können oder wie man mit Kompost die Bodenfruchtbarkeit aufbaut. Auf die lokalen Bedingungen angepasst werden geeignete Pflanzen angesetzt und dadurch die Diversität erhöht. Zum Beispiel die Pfeilwurz (Arrowroot), die sowohl bei tieferBodenfeuchtigkeit gut wächst, der aber wegen ihrer tiefen Wurzeln auch Trockenheit oder Heuschrecken wenig anhaben. Zur Diversifizierung des Risikos und einer Bereicherung des Speiseplans tragen neu auch verschiedene Hirsesorten, Bohnen, Erbsen, Sorghum oder Amarant sowie Heilkräutern oder Gewürze bei. Diese Vielfalt wird auch von Bestäuberinsekten geschätzt. Schulungen in moderner Imkerei und die gemeinschaftliche Finanzierung neuer Bienenkästen diversifizieren die Produktion weiter und tragen zur Sicherung der Einkommen bei.
Ein Schlüsselaspekt zur Erhöhung der Resilienz liegt darin, traditionelles Wissen mit neuen Erkenntnissen zu verknüpfen. Der Einbezug aller Generationen in den Workshops ist daher zentral. So wurden beispielsweise Saisonkalender mit traditionellen, oft resistenteren Pflanzensorten entwickelt oder es entstanden Karten der Gemeinden, welche die Veränderungen in den lokalen Naturräumen über mehrere Generationen abbildet. Die Karten erlauben den Bäuerinnen und Bauern Rückschlüsse darauf, welche weiteren Veränderungen ihnen durch den Klimawandel bevorstehen und helfen, Strategien zu entwickeln, um sich dagegen zu wappnen. Auch Elizabeth Karimi ist Mitglied einer solchen Bäuerinnengruppe und heute besser vor den Folgen der Trockenheit geschützt, die ihre Maisernte vernichtet hat. Dank dem neu angelegten Speicher ist die nächste Aussaat gesichert, ihre Bienenvölker sind fleissig und Rinder und Ziegen stellen einen «Notgroschen» dar für karge Zeiten.
Studie zeigt, wie Agrarökologie gegen Klimawandel hilft
«Was ich beim Besuch auf dem Bauernhof von Elizabeth Karimi im detaillierten Austausch erfahren habe, wurde durch unsere Studie evidenzbasiert bestätigt», stellt Fabio Leippert fest. «Landwirt*innen, die Agrarökologie betreiben, zeigen in der Analyse eine erhöhte Widerstandsfähigkeit, die ihnen hilft, sich an den Klimawandel anzupassen.» Zusätzlich zu den Feldstudien wurde mit einer Metaanalyse die zentralen Faktoren dafür herausgefunden:
- Durch verbesserte Bodengesundheit, Biodiversität und hohe Diversifizierung innerhalb landwirtschaftlicher Produktionssysteme erhöht die Agrarökologie die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel und verringert die Verletzlichkeit von Agrarökosystemen
- Die Agrarökologie trägt zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen bei, vor allem durch eine Erhöhung der organischen Bodensubstanz (Kohlenstoffbindung) und einen verringerten Einsatz synthetischer Düngemittel.
- Eine Schlüsselrolle spielen institutionelle Aspekte wie der Aufbau von Beratungsdiensten oder partizipativer Innovationssystemen um den Austausch von Bäuerin zu Bauer zu unterstützen. Dabei kann kontext-spezifisches Wissen gemeinsam geschaffen und verbreitet werden, was wiederum die Entwicklung, Stärkung und Akzeptanz der Agrarökologie fördert.
«Climatechange report»
Die Studie «The potential of acroecology to build climate-resilient livelihoods and food systems» wurde von Biovision zusammen mit dem Forschungsinstitut für organischen Landbau FiBL und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) durchgeführt und im Sommer 2020 veröffentlicht. Die Ergebnisse der Studie sind zusammengefasst in diesem Video zu finden.
Umsetzung: Jetzt ist die Politik ist gefordert
Der dritte Teil der Studie untersuchte, welche Rolle Agrarökologie im heutigen politischen Kontext spielt. Das Positive vorab: Das ganzheitliche Konzept einer nachhaltigen Landwirtschaft befindet sich international im Aufschwung und spielt beispielsweise beim Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen (UNFCCC) eine zentrale Rolle. Fabio Leippert ist deshalb überzeugt: «Es gibt eine grosse politische Chance, die Agrarökologie als Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel aufzunehmen.» Doch er ist auch skeptisch: «Trotz dieser positiven Signale fehlt es aber leider immer noch entschlossenem Handeln – und an Geld! Nur wenn der reiche Westen bereit ist, die ärmeren Länder stärker beim Klimaschutz zu unterstützen, kommt wirklich etwas in Bewegung. Nur dann erhalten Bäuerinnen wie Elizabeth Karimi im globalen Süden wirklich eine Chance, in Zukunft mit dem Klimawandel zurechtzukommen.»
Der Originaltext ist in gekürzter Form in der Ausgabe Nr. 199 von der Zeitschrift Ökologie & Landbau erschienen, sie finden ihn hier.